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Ca­ro­li­ne Ether, On­des Mar­te­not
Le Chant des Étoi­les

Fa­mi­li­en-/Frau­en­bad Drei­l­in­den
Drei­l­in­den­stras­se 50
9011 St. Gal­len

Kein Vor­ver­kauf.
Abend­kas­se 30 Mi­nu­ten vor Kon­zert­be­ginn.

Auf ih­rer Klan­g­rei­se zeigt Ca­ro­li­ne Ether ein schier un­be­g­renz­tes Ar­se­nal von Na­tur­klang-Imi­ta­tio­nen, exo­ti­schen Klang­far­ben, Mi­kro­tö­nen und Knack-Ef­fek­ten, wel­che ei­nen ly­ri­schen, aber auch sehr di­rek­ten Aus­druck ver­mit­teln. In der Kom­bi­na­ti­on vor­kom­po­nier­ter Ton­s­pu­ren mit dem Li­ve-Spiel der On­des Mar­te­not ent­führt sie den Hö­rer auf Stern­bah­nen zu himm­li­schen Uni­ver­sen und un­end­li­chen Räu­men. Da­bei wer­den Re­so­nan­zen und Mag­net­fel­der evo­ziert, aus de­nen der Ge­sang fer­ner See­len dem Raum un­se­res Seins zu ent­sprin­gen scheint. Gleicht die­se Rei­se durch die Ster­ne nicht ei­ner Rei­se in un­ser ei­ge­nes Herz?

Ca­ro­li­ne Ether stu­dier­te On­des Mar­te­not, Kla­vier und Mu­sik­wis­sen­schaft bei Chris­ti­ne Ott und Tho­mas Bloch in Strass­burg. Of­fen für neue mu­si­ka­li­sche Ver­bin­dun­gen ar­bei­tet sie an klas­si­schen, zeit­ge­nös­si­schen und ex­pe­ri­men­tel­len Krea­tio­nen.
So spiel­te sie als So­lis­tin mit di­ver­sen Or­ches­tern und Di­ri­gen­ten (Pa­s­cal Ro­phé, Ar­tu­ro Ta­ma­yo, Ant­h­o­ny Wee­den), kürz­lich in der Bas­ler Pro­duk­ti­on von Mes­siaens «Saint François d’As­si­se». Ihr mu­si­ka­li­sches In­ter­es­se ist ge­nährt von der Neu­gier auf die Wir­kung von Schwin­gun­gen auf Kör­per und See­le. Durch das Prin­zip des Schwe­bungs­sum­mers löst das Spiel der On­des Mar­te­not Re­so­nan­zen aus, die sehr kör­per­lich wir­ken. Die fast un­be­g­renz­ten Klang­mög­lich­kei­ten nutzt Ca­ro­li­ne Ether als Qu­el­le für ih­ren per­sön­li­chen, kon­zi­sen Aus­druck.



Le Chant des Etoi­les
10 Fra­gen an Ca­ro­li­ne Ether

Nach jah­re­lan­gem Tüf­teln prä­sen­tier­te Mau­ri­ce Mar­te­not 1928 die On­des Mar­te­not an der fran­zö­si­schen Oper. Heu­te ist das fast 100-jäh­ri­ge In­stru­ment im­mer noch prak­tisch un­be­kannt. In St. Gal­len wird es zum ers­ten Mal von der fran­zö­si­schen So­lis­tin Ca­ro­li­ne Ether ei­nem in­ter­es­sier­ten Pu­b­li­kum näh­er­ge­bracht. Der Klang des In­stru­ments – zwi­schen Cel­lo und men­sch­li­cher Stim­me – geht di­rekt un­ter die Haut. Im Frau­en-/Fa­mi­li­en­bad der Drei­l­in­den, ei­ner per­fek­ten Land­schaft für die­se Mu­sik, stellt con­tra­punkt. new art mu­sic. ei­ne Künst­le­rin vor, die mit­tels ih­rer sen­si­bi­li­sier­ten Ton­ge­bung das Kon­zert zur in­ne­ren Er­fah­rung macht.
Im In­ter­view gibt Ca­ro­li­ne Ether Aus­kunft über ih­re Mu­sik­phi­lo­so­phie und die Hin­ter­grün­de des In­stru­ments.

Uzor: Was sind die On­des Mar­te­not? Wel­che Be­son­der­hei­ten hat die­ses In­stru­ment?
Ether: Die On­des Mar­te­not sind das Lied der Elek­tri­zi­tät. Der Klang liegt zwi­schen der Stim­me und ei­nem Sai­ten­in­stru­ment, in sei­ner gros­sen Fle­xi­bi­li­tät be­schwört er gleich­sam die Ewig­keit im Raum.
Ne­ben dem The­re­min sind die On­des Mar­te­not ei­nes der ers­ten elek­tro­ni­schen In­stru­men­te. Elek­tro­nisch, da es aus Elek­tro­nen be­steht, wel­che die Rol­le ei­nes Rohr­blatts oder ei­ner Sai­te spie­len. Das In­stru­ment hat ei­nen be­son­de­ren Aus­druck und ei­ne ein­zi­g­ar­ti­ge Klang­pa­let­te.
Hin­sicht­lich des Klangs und Aus­drucks sind sich On­des Mar­te­not und The­re­min ähn­lich, das Ru­ban der On­des äh­nelt den Fin­ger-Luft­be­we­gun­gen der The­re­min-Spie­le­rin, aber die On­des be­sit­zen mehr Klang­far­ben und Klang­mit­tel wie z.B. die Re­so­nanz, die Laut­sp­re­cher, den Gong und die Ta­s­ta­tur. Mau­ri­ce Mar­te­not wünsch­te sich, dass die­ses In­stru­ment die Er­wei­te­rung des Den­kens und der emp­fan­ge­nen Schwin­gun­gen wür­de. Da­mit mach­te er uns ein im­men­ses Ge­schenk.

Uzor: Wie hast Du das In­stru­ment ent­deckt? Spielst Du das In­stru­ment seit Dei­ner Kind­heit?
Ether: Ich be­gann mit 7 Kla­vier zu spie­len. Als Her­an­wach­sen­de such­te ich dann nach an­de­ren Aus­drucks­mög­lich­kei­ten. Ne­ben dem Kla­vier nahm ich Un­ter­richt in Po­sau­ne, Did­ge­ri­doo, Gi­tar­re und Kon­tra­bass. Ich such­te nach ei­nem Weg, wie ich mei­ne Sen­si­bi­li­tät am bes­ten aus­drü­cken könn­te. Die Be­geg­nung mit den On­des Mar­te­not er­folg­te auf ei­nen en­gel­haf­ten Hin­weis ei­ner Freun­din. Das In­stru­ment wur­de di­rekt ne­ben dem Kla­vier­zim­mer un­ter­rich­tet, mei­ne Su­che war am Ziel.

Uzor: Wo wird das In­stru­ment in der klas­si­schen Mu­sik ein­ge­setzt?
Ether: Sein Re­per­toi­re um­fasst rund 1500 Wer­ke, von Varè­se, Mes­siaen, Ho­neg­ger zu Scel­si, Bou­lez, Jo­li­vet, Mu­rail, Mar­ti­nu… dies in al­len mög­li­chen Gat­tun­gen wie Kon­zert, Kam­mer­mu­sik, So­li – und na­tür­lich in der gros­sen Oper Saint François d'As­si­se von Oli­vier Mes­siaen.

Uzor: Gibt es Dein In­stru­ment auch im Pop? Ich ken­ne nur die Ra­diohead-Bal­la­de «Py­ra­mid Song» mit Jon­ny Gre­en­wood.
Ether: Die On­des Mar­te­not hört man in Lie­dern von Tom Waits, Go­ril­laz, Za­zie, Va­nes­sa Pa­ra­dis und Jac­qu­es Brel, häu­fig auch in Film­mu­sik, Mad Max, Mars at­tacks, Fan­to­mas.

Uzor: Hat Dei­ne Kom­po­si­ti­on «Le Chant des Etoi­les» ei­nen Be­zug zu den Drei Wei­hern? Spiel­ten die Ele­men­te Was­ser, Ster­ne und Na­tur beim Kon­zept ei­ne Rol­le?

Ether: Die Drei Wei­hern sind ein Ort der Ru­he. Hier oben kann man sich mit den Ster­nen ver­bin­den. Es ist ein per­fek­ter Ort, um die Mu­sik zu emp­fan­gen. Die Ele­men­te des Him­mels und der Er­de sind die Wur­zeln, der Stamm, die Äs­te und Blät­ter die­ses Stücks, das ei­ne Ein­heit der Wahr­neh­mung sucht.

Uzor: Warum fin­det die­ses Kon­zert im Frei­en statt und nicht in ei­nem Kon­zert­saal? Wird die Ton­über­tra­gung im Frei­en ge­nü­gend sein?
Ether: Ein Frei­luft-Kon­zert bie­tet den of­fe­nen, un­end­li­chen Raum, in dem die En­er­gi­en, der Wind, frei zir­ku­lie­ren kön­nen. Ei­ne klang­li­che Be­son­der­heit wird sein, dass der Ton von ho­lo­pho­nen Laut­sp­re­chern über­tra­gen wird, die ei­nen sphäri­schen Klang über 360 Grad aus­strah­len, al­so so et­was wie ein akus­ti­sches Pan­ora­ma wie­der­ge­ben. Es wird ei­ne ein­zi­g­ar­ti­ge Er­fah­rung sein!

Uzor: Kannst Du ein bis­schen über dei­ne Mu­sik sp­re­chen? Er­zählt uns «Le Chant des Etoi­les» ei­ne Ge­schich­te, wer­den Bil­der ver­mit­telt?
Ether: Über die Kon­zert­form hin­aus wird die Per­for­man­ce ein Mo­ment der Be­geg­nung, des Tei­lens, des Re­spekts. Re­spekt für al­les Le­ben­di­ge, so se­he ich Kunst. Das Stück er­zählt kei­ne Ge­schich­te. Mit die­sen me­lo­di­schen Wel­len ist es ein Oze­an von Klän­gen, ei­ne Rei­se, die je­der in sei­ner per­sön­li­chen Art er­le­ben wird. Das Stück wur­de ent­wi­ckelt, um ei­nen in­ne­ren Teil von uns mit et­was Grös­se­rem in Re­so­nanz zu brin­gen. Die Mu­sik will die­sen Teil we­cken und ei­ne Ver­bin­dung her­s­tel­len.

Uzor: Möch­test Du et­was über die Ent­ste­hung­s­pro­zes­se Dei­ner Kom­po­si­tio­nen er­zäh­len? Wie wer­den die Ide­en ge­bo­ren und was pas­siert, be­vor sie sich in Klang ma­te­ria­li­sie­ren?
Ether: Das bringt mich zu­rück zu mei­ner Vor­stel­lung von Kunst. Mei­ner Mei­nung nach geht es in der Kunst nicht nur um per­sön­li­chen Aus­druck. Sie soll­te nicht da­zu die­nen, den zu ver­herr­li­chen, der sie ver­mit­telt, son­dern sie ist ein Lob­lied auf die uni­ver­sel­le Sc­hön­heit. Wir ha­ben uns weit von den ein­fa­chen und sc­hö­nen Din­gen ent­fernt. Doch al­les ist noch da, es ist nur ei­ne Fra­ge des Ge­wis­sens und der Ent­schei­dung.
«Mei­ne» Kom­po­si­tio­nen ent­ste­hen in ei­nem völ­lig in­tui­ti­ven Pro­zess, frei von geis­ti­ger Kon­trol­le. Um­ge­kehrt geht es bei mir nicht. Was kom­men muss, kommt zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt zu mir, und wenn ich die­sen Zeit­punkt ver­pas­se, ist es vor­bei. Es ist wie in der Be­zie­hung zu Kaïros, vor­her ist zu früh und da­nach zu spät, ich bin le­dig­lich die Über­tra­ge­rin, ver­ant­wort­lich für die Schwin­gun­gen, die aus­ge­sen­det wer­den. Ich ha­be mich lan­ge mit der ge­hei­men Geo­me­trie und den Aus­wir­kun­gen von Klang auf un­se­ren Kör­per be­schäf­tigt. Sol­che Ver­bin­dun­gen ge­ben mir ei­ne Grund­la­ge für die meis­ten Kom­po­si­tio­nen. Auch «Le Chant des Etoi­les» baut dar­auf auf.

Uzor: Könn­test Du das noch kon­k­re­ter aus­füh­ren? Wie zeigt sich die­se «ge­hei­me Geo­me­trie»?
Ether: In ih­rer reins­ten und ein­fachs­ten Form ist die Geo­me­trie ge­heim und hei­lig; ihr lie­gen hei­li­ge Pro­por­tio­nen zu­grun­de, die von be­stimm­ten Zah­len de­fi­niert wer­den, z. B. die Zahl Phi, die als gol­de­ne Zahl, oder auch als gött­li­che Pro­por­ti­on oder Gol­de­ner Schnitt be­zeich­net wird. Man fin­det die­se Zahl im­mer wie­der in den Wer­ken der grie­chi­schen An­ti­ke, aber auch im Wachs­tum der Or­ga­nis­men. Wenn wir die Na­tur be­trach­ten, fin­den wir übe­rall ei­ne selt­sa­me Ver­bin­dung zur Geo­me­trie.
Wir al­le ha­ben die glei­chen ge­ne­ti­schen und geo­me­tri­schen Mus­ter, die glei­che DNA. Al­le Grund­la­gen des Le­bens fin­den sich in Form die­ser Geo­me­trie. Sie ist die äl­tes­te al­ler Spra­chen, weil Zah­len ei­ne uni­ver­sel­le Be­deu­tung ha­ben. Die­se Geo­me­trie ist auch mit Schall­wel­len ver­wandt, mit Fre­qu­en­zen und geo­me­tri­sche For­men, de­ren Ver­bin­dun­gen ich bei ei­nem Stück zu ent­wi­ckeln ver­su­che. So kön­nen be­stimm­te wohl­tu­en­de Wir­kun­gen ent­ste­hen, wel­che die Har­mo­nie zwi­schen uns und der Aus­sen­welt ver­stär­ken. Die­ses Gleich­ge­wicht von In­nen und Aus­sen hat mich seit je in­ter­es­siert.

Uzor: Wir kom­men zur letz­ten Fra­ge, die ir­gend­wie auch die ers­te sein könn­te: Dein In­stru­ment strahlt et­was sehr Per­sön­li­ches aus. Der Klang und die Ar­ti­ku­la­ti­on ha­ben et­was un­glaub­lich Sen­si­b­les und Inti­mes. Manch­mal glaubt man, ei­ne men­sch­li­che Stim­me zu hö­ren oder ein Cel­lo – oder ein St­rei­cheln der Haut. Wo­her kommt das?
Ether: Die­ses In­stru­ment macht es mög­lich, Mu­sik zu ver­mit­teln, die je­den er­rei­chen kann. Der Klang der On­des er­öff­net ein un­be­kann­tes Ter­rain, es lässt uns Mu­sik jen­seits der Emo­tio­na­li­tät wahr­neh­men, ei­ne Mu­sik die hin zur Wahr­neh­mung des Klangs an sich, als Vi­b­ra­ti­on in uns, führt. Die Schwin­gung strömt in uns oh­ne kör­per­li­chen oder see­li­schen Wi­der­stand. Sie be­rührt uns bis in die Zel­len.




Die On­des Mar­te­not (frz. «Mar­te­not-Wel­len») sind mo­no­phon und wer­den zwei­hän­dig be­di­ent: Die rech­te Hand spielt ein be­we­g­lich auf­ge­häng­tes Or­gel­ma­nual, das ein Vi­b­ra­to durch Hand­be­we­gun­gen er­mög­licht, oder er­zeugt Glis­san­di und Vi­b­ra­ti über ein Band (ru­ban) in ei­ner Zug­vor­rich­tung, das an ei­nem Fin­ger­ring be­fes­tigt ist. Die lin­ke Hand be­ein­flusst die Klang­far­be und die Dy­na­mik mit­tels Tas­ten und Reg­lern.
Tech­nisch be­ruht das In­stru­ment auf dem Prin­zip des Schwe­bungs­sum­mers: Der hör­ba­re Klang ist (ähn­lich wie bei der Tech­no­lo­gie der da­ma­li­gen Ra­dio­emp­fän­ger) ei­ne Schwe­bung aus den Schwin­gun­gen zwei­er Os­zil­la­to­ren, die durch ver­schie­de­ne Fil­ter ge­lei­tet wird.
(Qu­el­le: http://swiss­film­mu­sic.ch/wi­ki/On­des_Mar­te­not)